Hallo Kobi. Magst du uns einmal deinen Werdegang in die Musikindustrie schildern?
Erstmal danke dafür, dass ihr euch entschieden habt diesen Schritt zu wagen und auch in diese Nische zu gehen und was zu gründen.
Zu meiner Person, mein Künstlername ist Kobi Rock. Mein gebürtiger Name ist Michael. Der Name Kobi kommt von meinem Zweitnamen Kwabena. (Bedeutung: "am Dienstag geboren" Anm. d. Red.) Ich bin vor etwa 10 Jahren zur Musik gekommen und habe für diverse deutsche Künstler als Songwriter bzw. Ghostwriter gearbeitet. Anfangs wurde mir gesagt, dass es für einen Schwarzen Künstler nicht wirklich einen Markt gibt. Sie sagten, ich hätte aber ganz gute Songs und sollte mir Gedanken machen - ob nicht die Möglichkeit besteht - meine Songs an weiße Künstler zu geben, damit diese sie verkörpern und ich im Hintergrund die Songs schreibe.
Ja ich war jung und unerfahren. Ich hatte den Markt noch nicht verstanden und habe mich da erstmal drauf eingelassen. Parallel dazu habe ich eine Ausbildung zum Kaufmann für audiovisuelle Medien absolviert. Dank einer Kooperation bei zwei Plattenfirmen und einer Management Agentur, hatte ich die Möglichkeit innerhalb der Ausbildung weitere Erfahrungen zu sammeln. So konnte ich den Blick hinter die Kulissen bekommen und verstehen, wie Plattenfirmen bzw. Entertainment-Firmen in Deutschland aufgebaut sind. Während der Ausbildung habe ich bereits darüber nachgedacht, dass sobald ich die Basics gelernt habe - ich mich selbstständig machen möchte und darauf konzentriere Schwarze Künstler aufzubauen, zu produzieren und auf dem Markt zu platzieren. Sodass meine Kinder, falls sie mal Musik machen möchten, nie wieder hören, dass es keinen Markt für Schwarze Künstler gibt.
Im Jahr 2017 habe ich meine eigene Plattenfirma "Grownchild Entertainment" gegründet, anfangs als UG - mittlerweile sind wir eine GmbH. Parallel hierzu habe ich ein Tonstudio, auf der Reeperbahn angemietet. Ich hatte das Glück, dass ich zuvor selbstständig als Freelancer bzw. eigenständiger Manager gearbeitet und diverse Künstler entdeckt habe, die jetzt ziemlich erfolgreich sind. Hierfür erhielt ich Provisionen, da ich sie an größere Firmen vermittelt habe. Diese Gelder habe ich gespart und letztendlich in meine eigene Firma investiert. So konnte ich meine Firma, mein Studio und alles drum herum finanzieren.
Ich glaube sehr viele junge Künstler, können sich sehr daran orientieren bzw. für die wäre der Werdegang, den du beschrieben hast, sicherlich der Idealfall. Ich muss ehrlicherweise zugeben, das erste Mal habe ich von dir bzw. der Grownchild Crew vor knapp 10 Jahren gehört. Da wart ihr noch kein Label, oder?
Ich danke dir erstmal an dieser Stelle. Wenn du Songs von mir aus dieser Zeit kennst, dann bist du auf jeden Fall ein Day One. Ich bin immer verwundert, weil es hier und da wirklich auch Leute gibt, die geile Sachen machen und plötzlich dann so raushauen - hey ich habe deine Musik schon damals gehört - wie krass ist das? Denn damals war es einfach nur ein Kinderzimmergedanke von uns.
Wir haben das immer nur so rausgehauen Grownchild, aber wir wussten nichts über Strukturen. Wir haben uns damals im Kinderzimmer von mir zusammengesetzt und haben gesagt: Wir machen jetzt eine Crew. Und ja, ich erinnere mich gerne an diese Zeiten und wie sich das Ganze entwickelt hat. Man vergisst den Prozess manchmal, wenn man den Weg so geht. Weil jetzt erinnerst du mich daran. Die Bilder kommen wieder hoch - damals bei mir im Kinderzimmer, wie man das Mikrofon selbst zusammengebaut hat und all diese Träume hatte. Nein, Grownchild war damals noch kein Label. Wir waren einfach ein paar Kids von der Straße, die gerappt haben.
Du hast eine Ausbildung absolviert. Wie hast du dir darüber hinaus Kenntnisse, beispielsweise im betriebswirtschaftlichen bzw. unternehmerischen Bereich angeeignet?
Die Basics sicherlich während der Ausbildung. Aber ich bin so ein Nerd, ich zieh mir so viele Interviews und Podcasts rein. Überwiegend schau ich mir wirtschaftliche und technologie-bezogene Sachen an. Ich versuche möglichst viel von anderen Branchen zu lernen. Ich habe mir auch reichlich BWL und VWL Bücher gekauft. Ich interessiere mich auch sehr für Politik und schau mir wirklich alles an. Ich probiere möglichst viel zu lesen – mir war von Anfang an klar, dass ich mich auch selbst in der Hinsicht bilden muss. Ich habe beispielsweise damals eigenständig zur Ausbildung von der Künstlerin Nena lernen dürfen.
Nena hat eine Schule hier in Hamburg und sie hat damals für einen Basketballkurs Lehrer gesucht. Ich bin kein besonderer Basketballspieler, dennoch habe ich mich beworben und wollte dafür nicht viel haben. Wichtig für mich war, von einer der erfolgreichsten Künstlerinnen Deutschlands Dinge über die Musikbranche lernen zu dürfen. Und sie hat zugestimmt. So habe ich fast ein Jahr als Basketball-Coach in der Schule gearbeitet und habe mich, zweimal die Woche mit Ihr über die Musikbranche ausgetauscht. Das hat mir übertrieben krass geholfen.
Wo ich einfach den Appell auch raushauen kann: Umgibt euch mit Leuten, die erfolgreich in dem Bereich sind, wo ihr rein möchtet. Ich wollte kein Geld, ich wollte einfach nur Wissen - und das habe ich erhalten. Da habe ich eine Menge gelernt. Du merkst dann, dass viele Künstler ein unternehmerisches Denken haben. Ich glaube, dass ist auch die Substanz, um langfristig erfolgreich zu sein - wenn du verstehst das Kunst auch ein wirtschaftlicher Prozess ist. Das habe ich herausgefunden.
In dem Song Ghettokid hast du die Line: „Politiker möchten nicht, dass wir erfolgreich werden, Deutschrap hat gezeigt, wie man selbst macht." Magst du uns kurz erläutern was du damit meinst?
Ich bin in einem Hamburger Brennpunkt aufgewachsen. Wir hatten nicht wirklich Vorbilder, die beispielsweise im Wirtschafts- oder IT-Bereich waren. Deswegen haben uns Rapper in unserem Tun sehr stark beeinflusst. Künstler wie Sido und das Musiklabel Aggro Berlin z.B. haben uns gezeigt, dass man es mit Rap von ganz unten nach ganz oben schaffen kann.
Kurze Frage nochmals zum Namen. Kobi hast du erläutert, aber kannst du kurz auf Rock eingehen?
Easy. Ich bin in Bad Oldesloe aufgewachsen. Das ist eine kleine Stadt in Schleswig-Holstein und überwiegend weiß. Ich habe dort Rockmusik gehört. Ich war mit meinen weißen Freunden da und habe Indie-Rock, Punk Rock und all das ganze drumherum gehört. Natürlich nebenbei auch Hip-Hop, aber ich muss ehrlich zugeben, ich war ein richtiger Rock Fan. Als wir nach Hamburg kamen, direkt in den sozialen Brennpunkt, fanden die Leute das richtig komisch, dass ich ab und an auch mal Linkin Park angemacht habe.
Und da dachte ich mir, ich werde das nicht leugnen. Ich werde auf jeden Fall das „Rock“ in meinen Namen rein hauen, weil das auch ein Teil von mir ist. Ich habe mir gedacht, wenn ich irgendwann mal ein Interview führe, werde ich erläutern, dass ich auch mal Rockmusik gehört habe und das jetzt mit Hip-Hop verbinde. Und jetzt sind wir an so einem Punkt. Das ist der Aspekt dahinter - stehe zu dem was du bist und versteck das nicht.
Ja, ich höre verschiedene Musikstile und kann allen etwas abgewinnen. Jetzt ist es normal mit den Playlisten. Aber ich habe schon früher CDs aus allen Bereichen gehabt, mir selbst Playlisten zusammengestellt oder bei MTV den Kassettenrekorder laufen lassen. Ich habe mich viel von Rockmusik inspirieren lassen, weil ich nicht eingesehen habe, dass es nur ein weißes Ding sein soll. Vor allem wenn man sich die Rock 'n' Roll Geschichte genauer anschaut, wird man sehen, dass die großen Rock Künstler von schwarzen Künstlern inspiriert wurden. Also ist es gar nicht so ein "White Ding" und darauf wollte ich auch aufmerksam machen.
Vielen Dank für deine Zeit.